Gedanken zumVortrag in Friedrichsroda beim dem Heldsdorfer Treffen
Dank geht an Heide Tittes für ihre große Darbietung zum Thema “Geschichte des Heldsdorfer Sportlebens”
Am letzten Heldsdorfer Treffen in Friedrichsroda hatten die Anwesenden Heldsdorfer das Vergnügen einige interessante Etappen über das großartige Sportgeschehen aus der Geschichte der Heldsdorfer vorgestellt zu bekommen. Es war dem Vorstand der Heimatgemeinde Heldsdorf und im Besonderen Heide persönlich ein über Jahre gehegter großer Wunsch, erfolgreichen älteren aber auch jüngeren Heldsdörfer Sportlerinnen und Sportlern im Rahmen des großen Treffens entsprechende Ehrung zukommen zu lassen. Nicht nur, dass Heide es schaffte ihre gut dokumentierte Darbietung mit etlichen Fotos aus den längst vergangenen Zeiten zu untermalen war die große Überraschung des Nachmittags sondern auch die Tatsache, dass es ihr gelang, eine ganze Reihe dieser „Urgestalten“ munter und in guter Verfassung auf die große Bühne zu bringen. In einem heiteren Frage-Antwortspiel bekamen sie alle die Gelegenheit darüber zu erzählten, was eben in keinen Dokumentationen zu finden ist. Es waren heitere und unvergessene Geschichten für uns Zuhörer.
Erst an diesem Nachmittag habe ich selbst unmissverständlich verstanden, warum Heide, die ewige Sportsfrau einfach nicht locker gelassen hat, eines unserer Heldsdorfer Treffen diesem oben genannten Thema zu widmen. Ich weiß, wie viel Mühe es sie gekostet hat, die nötigen Daten zu finden, zu ordnen und für uns vorzubereiten, da die Angaben nicht in einem Gesamtwerk chronologisch aufgelistet zu finden waren. Ich weiß aber auch, wie schwer es für sie war, aus den gefundenen Unterlagen, Fotos und Briefen alles Erwehnenwertes aufzuzählen, um nicht den TRahmen der zeitlichen Gegebenheiten zu sprengen. Heide hat es aber geschafft, uns diese Seite aus der Geschichte des Heldsdorfer Sportlebens spannend und überschaubar vorzustellen. Ihre Absicht, dieses umfangreiche Material in passender Form als Nachschlagwerk für alle Heldsdorfer zugänglich zu machen, kann nur begrüßt werden.
Wer Heide kennt weiß, wie viel Begeisterung sie für den Sport und insbesondere für den Heldsdörfer Sport mit sich trägt und wie viel Ehrfurcht und Respekt sie für diese sportlichen Leistungen vor allem der älteren Heldsdorfer empfindet. Ihr Vortrag begann mit folgenden Worten:
„Die Erinnerung ist ein Fenster, durch welches wir sehen können, wann immer wir wollen. Wir, liebe Heldsdörferinnen und Heldsdörfer haben ein besonderes gemeinsames Erinnerungsfenster, welches wir öffnen können, um auf gemeinsame Zeiten zu blicken, wann immer wir uns in diesem wunderschönen Rahmen treffen: es ist das Fenster, durch das wir unsere gemeinsame verlebte Zeit in Heldsdorf betrachten. Heute ist es das Fenster, aus dem wir die Heldsdörfer Sportgeschichte zum Leben wecken.“
Nun gut, ich persönlich, habe es fast nicht glauben wollen, dass die Heldsdorfer Sportsgeschichte so viel zu bieten hat, als das ein Vortrag darüber zustande kommen kann. Ich konnte es mir auch nicht vorstellen, dass beim großen Treffen über sportliche Ereignisse und Sportler unserer Gemeinde soviel berichtet werden kann.
Der Grund hierzu ist einfach:
Ich stamme aus einem überaus unsportlichen Elternhaus. Über die Ereignisse da im Park wurde bei uns zu Hause so viel wie gar nichts diskutiert. Sport war nie ein Thema für meine Eltern. Mein Vater fuhr zwar auf dem Fahrrad zu den ’Tannen‘ zu seinem Arbeitsplatz, es wäre ihm aber sicherlich nie eingefallen, diese seine täglichen Radrunden großartig als Sport zu bezeichnen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal auch nur ein einziges Mal ein begeistertes Wort von irgendwelchen sportlichen Aktivitäten aus dem Park ins Gespräch brachte.
Das Geheimnis des Parks musste ich mir als Kind selber erobern. Und das war nicht schlimm, wie ich heute weiß. Es sollte ein eigener Teil meiner Kindheit werden.
Nachdem ich meinen ersten Roller bekam und am Brotgeschäft ganz alleine durch die Straßen flitzen konnte und durfte, waren meine ersten Exkursionen zum besagten Park. Da gab es viel zu entdecken, was eben die Hintergasse nicht hergab. Meine kindliche Neugierde und mein kindlicher Bewegungsdrang waren grenzenlos. Hier konnte ich mich austoben und war nie allein. Die Angst vor Übergriffen an Kindern gab es zu der Zeit nicht. Bevor ich später im Grundschulalter dann auch alleine ins Freibad mit dem Fahrrad fahren durfte, flitze ich mit dem Roller überallhin. Ich sollte aber auch bald belohnt werde. Bei einem der sportlichen Wettbewerbe draußen im Park, es kann in etwa 1959er oder 1960er gewesen sein, gewann ich sogar den ersten Preis beim Rollerrennen. Man darf sich aber keineswegs einen modernen Roller vorstellen mit dicken Gummirädern sondern ein ganz schlichtes Fahrgerät zum Strampeln ohne Bremsen und ohne irgendwelchen sonstigen Schnickschnack. Den Roller musste man trotzdem beherrschen und das muss mir gelungen sein, ich gewann tatsächlich den Wettbewerb. Es sollte mein einziger sportlicher Preis bleiben. Es war eine rotgestreifte Wollpuddelmütze, die ich lange Zeit stolz auf dem Kopf trug. Ich höre heute noch, wie entsetzt meine Mutter zu meinem Vater sagte, als ich erschöpft, verdreckt aber glücklich mit dem Ding am Kopf vor ihnen stand:
„Harr am Himmel Mischsech dir un, wai diet kaind ausset- mat diesem kaind warden mer noch aldast erlieven muisen!“ (Herr im Himmel, Misch, schau her, wie dies Kind aussieht, mit diesem Kind werden wir noch einiges erleben müssen!“)
Ich bin heute glücklich behaupten zu können: Sie erlebten Gott sei Dank noch recht viel mit mir, aber nichts, dass sie erschüttert hätte, wie damals befürchtet.
Ich war, wie alle meine Spielkameraden „ein sogenanntes Straßenkind“, d. h. keineswegs ein Stubenhocker, um nicht falsch verstanden zu werden.
Zu Fuß oder auf dem Rad jagte ich mit meinen Spielkameraden täglich durch die Straßen, verbrachte zwischen den Bächen draußen vor der Mühle unendliche lange Spielzeiten unter dem wildgewachsenen Geäst, auf den Bäumen oder auf den gar nicht so ungefährlichen Brücken und Schleusen. Im Sommer hüpften wir ins kalte, klare Wasser im Ftrei-Bad und lernten ohne Aufsicht oder Unterstützung das Schwimmen, das Tauchen und das vom Zeimetwerturm Springen. Im Winter rutschten wir mit den an den Bakoaintschen ( Schürschuhe) festgeschraubten Schlittschuhen auf den vereisten Straßen und in manch einem Winter sogar auf dem zugefrorenen Schwarzbach. Nie haben unsere Eltern auch nur einmal, die Spielplätze, unsere Erfahrungsräume in Frage gestellt und nach Gesichtspunkten der Sicherheit abgecheckt. Klar ist dies kein Vorwurf an sie, sondern eine bloße Feststellung. Gefährlich waren diese Spielplätzte aber allemal. Im Winter war die Eisschicht an den Rändern zum Ufer des Schwarzbaches gar nicht so dick, als dass sie nicht einbrechen hätte können. Die Schleusen waren sicherlich nicht zum Draufrumbalancieren gedacht, die holprigen alten Mauern, auf denen wir herum kletterten, waren teilweise baufällig, teilweise bemoost und einbruchgefährdet. Die modrigen Äste der Bäume zwischen den Bächen auf denen wir herum krakselten brachen oft ab und nur der liebe Gott weiß, warum wir hier gar so gerne spielten. Er schützte uns allerdings vor dem Schrecklichem.
Zusammen mit meinen Spielkameraden Meta, Astrid, Erika, Alfred, Edgar, Krista, Martha, Harri, Rosemarie und so viele mehr tobten wir auf den nur von Pferdewägen befahrenen Straßen nach Herzenslust, kletterten auf Bäumen herum und lernten auf Mauern balancieren, lernten Gefährlichkeit ausprobieren und lernten Grenzen aus unserem nächsten Lebensumfeld kennen und blitzschnell flüchten, wenn echte Gefahr drohte. Da fallen mir sofort die wilde schwarze Büffel oder der unheimliche Dorfstier ein, wenn die abends mit der Kuhherde heim trabten. Auch die galoppierenden Pferde zwischendurch sind mir in angsterregender Erinnerung geblieben. Heute noch schreck ich vor jedem galoppierenden Pferd zurück. Sie hätten uns spielenden Kindern auf der Straßen durchaus zum Verhängnis werden können. Passiert ist uns nie etwas Schlimmes, soweit ich mich heute zurückerinnern kann. Vielmehr hat sich mir diese Zeit als eine lebendige glückliche Zeit in meinen Erinnerungen festgelegt. Am Abend sanken wir müde und friedlich meist auch ohne Gute Nachtgeschichten und Fernsehmärchen oder sonstige Tricks zum Einschlafen in einen ruhigen gesunden Schlaf und freuten uns auf den nächsten Tag. Keiner von uns hatte irgendwelche motorische Auffälligkeiten oder war gar hyperaktiv und hätte irgendwelcher therapeutischen Behandlung nötig gehabt, wie viele der Kinder heutzutage. Alle sind wir gesund und normal groß und alt geworden.
„Die Erinnerung ist halt ein Fenster, durch welches wir sehen können, wann immer wir wollen.“
Manchmal denke ich aber, dass sie auch ein Fenster ist, durch welches wir sehen, was wir wollen?
Heute mache ich mir oft viele Gedanken darüber, ob unsere Kindheit aus den 50er und 60er Jahren nicht doch eine viel glücklichere Kindheit war, als die Kindheit der heutigen Kinder. Rein beruflich geben mir die täglichen Beobachtungen in dieser Richtung schon Anlass genug, meine Befürchtungen bestätigt zu bekommen. Einen so verplanten Schulalltag, wie Kinder heute teilweise zu ertragen haben, wäre mir nicht wünschenswert gewesen.
Oft denke ich: wie arm wächst manch ein Kind heute auf, da nur auf gefertigten Spielplätzen, nur zu bestimmten Tageszeiten und nur auf Geräten, die wir Erwachsenen ertüftelt haben und die den Steuerzahler 1000de Euros gekostet haben. Kann das Spielen unter ständiger Aufsicht Spaß machen? Kann das Spielen überhabt wohl behütet und in abgesichertem Umfeld sein Ziel erreichen?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß aber, wie fad und informationsarm unsere Kindheit ohne Fernseher und Computer und teilweise auch ohne das beliebte Märchenbuch war und wie anregend und abwechslungsreich die Freizeit eines Kindes heute gestaltet werden kann, da Fernseher und Computerspiele zum Alltag gehören. Das riesengroße Angebot an Büchern für Kinder ist für die geistige Entfaltung jedes Heranwachsenden nicht wegzudenken.
Ich könnte eine Tabelle aufstellen, die verschiedene Gesichtspunkte der Kindheitszeiten von früher und heute gegenüberstellt. Es wäre sicherlich wert herauszufinden, welche der Zeiten mehr punkten würde. Ich kam bisher zur Schlussfolgerung, dass jede Zeit ihre Vorteile aber auch ihre Fallen hat. Das darf glücklicherweise jeder für sich selber bestimmen. Wir dürfen von unserer alten Zeiten schwärmen oder aber auch darüber klagen. Ich bin aber überzeugt, wir können es drehen und wenden wie wir wollen, das Zünglein an der Waage würde höchstwahrscheinlich so ziemlich in der Mitte hin und her schlagen gleich dem Motto: alles hat so seine zwei Seiten.
Auswirkung auf den häutigen Schulsport
Fest steht aber, dass all den besonderen Lebensumstände der Kinder zu jeder Zeit die Schule in ihrem Unterricht Rechnung tragen muss.
Darum ist es unumgänglich, dass Lehrpläne, in der Fülle ihrer Ziele immer wieder neu überarbeitet werden müssen. Das war früher so und ist heute so. Das gilt für Lesen, Rechnen und Schreiben und gilt fürs Singen, Malen und Turnen.
Im Zuge der Vorüberlegungen zu diesem Heldsdörfer Treffen mit dem Motto „Sport aus und in Heldsdorf“ konnte ich mich nicht ganz aus der Beteiligung am Geschehen ziehen. Darum drängte ich mich mit einem Spiel des heutigen Schulsportes ins Geschehen auf, welchem es gelingt, heutigen Lebensbedingungen der Kinder in hohem Masse Rechnung zu tragen.
Es heißt: Yum Yum — das Ballspiel mit Hand und Fuß!
Das Spiel berücksichtigt mehrere Gesichtspunkte, die für die Entwicklung jedes Kindes ausschlaggebend sind, die Mehrheit unsere Kinder heutzutage aber nicht mehr so selbstverständlich in ihrem außerschulischen Leben finden. Das Spiel wird im Wesentlichen von den vier Säulen getragen, die der neue bayrische Lehrplan vorschreibt:
- Die Freude am Sport muss für alle ermöglicht werden:
- motorisch geeignet oder weniger geeignet
- Sportlich gut drauf oder weniger gut drauf
- Die erzieherische Gelegenheit sollte genutzt werden:
- das Erleben von Kraft in der Gemeinschaft
- Rücksichtsvoller Umgang untereinander
- helfen wenn nötig
- sich gebraucht und wichtig fühlen
- Der körperlichen und sportlichen Fitness sollte gedient sein:
- Das Bewegungserleben führt zur individuellen Leistungsfähigkeit
- Die eigenen Stärken werden ausprobiert und über positive Erfahrungen gesteigert
- Das Erwerben von Spiel- und Gestaltungsgrundlagen sollte gegeben sein :
- Grundregeln kennen und beachten lernen
- Die Möglichkeit der Selbstgestaltung, der Kreativität/ der Umgestaltung der Spielregel auf die gegebenen Bedürfnisse sollte frei bleiben
Die Grundidee des Spieles berücksichtigt wichtige Aspekte. Beim genauen Lesen dieser Aspekte, findet man genau die, die wir früher in unseren Straßenspielen umsetzten:
- Es verwirklicht die ballübergreifende Idee, d.h. der Ball wird sowohl mir der Hand als auch mit dem Fuß gespielt unter Berücksichtigung der wesentlichen Elemente der großen Ballspiele Fußball, Handball, Basketball
- Alle Spieler können sich unabhängig von den Vorerfahrungen aktiv beteiligen und Erfolgserlebnisse mit nach Hause nehmen
- Das Regelwerk basiert auf einfache Grundgedanken und lässt interessante Variationen zu, die selber mit den Beteiligten entwickelt werden können
Erna und ich hatten vor, dieses Spiel mit unseren Heldsdörfer Schulkindern in Friedrichsroda bei unserem großen Treffen zu spielen. Dafür besorgte Erna die wichtigsten Spieluntensilien: sie besorgte den wichtigen YumYum- Ball, die Bänder für die zwei Mannschaften und sie fertigte die wichtigsten 5 Regeln auf ein foliiertes DN4 Blatt in bunter Farbe an. Leider oder man kann es sehen wie man will- gut, dass für das Spiel keine Zeit blieb, denn für unsere Kinder war schon richtig viel vorgesorgt. Ihr Programm war durchdacht und geplant und für dieses Spiel blieb kein Freiraum. Vielleicht beim nächsten Mal, wenn Lust, Zeit und Platz es zulassen.
Nach 10jährigem Ausprobieren dieses Ballspieles kann ich persönlich eindeutig behaupten, dass es zwar nicht immer aber immer öfter zu freudigen und strahlenden Gesichtern aller Jungen und Mädchen der Klassen, die ich mit diesem Spiel konfrontiert habe, führte. Es ist ein Zeichen dafür, dass der neue Weg mit diesem Spiel in dieser anderen Zeit richtig ist. Jedes Kind unabhängig seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten kann mitspielen und im Spiel über sich hinauswachsen.
Beim Gegenüberstellen mit unserem altbekannten Völkerballspiel auf der Straße würde das Zünglein an der Waage mit Sicherheit auf die Yum Yum Seite ausschlagen. Das Spiel, welches erfahrene Sportlehrer ausgetüftelt haben und zum festen Bestandteil eines jeden guten Sportunterrichtes vorschlagen, führt genau hin, wohin unsere alten Spiele auf den autofreien Straßen unter eigener kindlichen Regie führten -> gleich dem Zitat aus Heides Vorwort:
„Im Sport werden Verhaltensmuster und Wertvorstellungen angelegt, die für die spätere Einstellung des Menschen prägend sind. Vertrauen in die eigenen Kräfte, Freude und positive Erfahrungen bei Bewegungsspielen oder Bewegungen im Allgemeinen in der Gruppe oder auch alleine, haben die wunderbare Nebenwirkung, dass die Entwicklung des Körpers gesund verläuft und gesund bis ins hohe Alter bleibt ,Mens sano in corpore sana — sagt der Lateiner und das heißt nicht mehr oder weniger wie: gesunder Geist im gesunden Körper!“
Dir Heide und deinen gesamten Helfern möchte ich auch auf diesem kleinen Umweg über die Zeitung für eure geleistete Arbeit, die zum Gelingen dieses sehr anregenden Nachmittag in Friedrichsroda führte, ein aufrichtiges Danke aussprechen.
R. Markel
3 Nov. 2010