Eine Katzengeschichte

Roselinde Markel
4 min readJun 19, 2021

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Es war zu der Zeit, als wir auf dem Elternhof in Deutsch Weisskirch die ersten gemütlichen Ecken eingerichtet hatten und genüsslich auch nutzten.

Einem seiner schwierigen Kunden hatte Edi eine Hängematte abgekauft. Der war war nämlich kaufsüchtig (online versteht sich) und überzog grundsätzlich sein Konto. Mehrmals hatten seine Betreuer ihn aus misslichen Lagen gerettet und versucht ihn auf rechte Bahnen zu bringen. Sven war dennoch in seinem Kaufrausch nicht zu bremsen. Während so einer unglücklichen Lage kaufte Eid ihm einige Sachen (Haushaltsgegenstände für die Küche) ab, die wir in DWK angeblich gebrauchen konnten, so dass Sven wieder etwas Geld in der Tasche hatte, da ihm seine Betreuer das ihm zuständige Taschengeld immer kürzten. Es ging um keine großen Beträge aber für Sven war es gut so.

Eine Überraschung für mich war eine Hängematte, die Edi da gekauft hatte. Sie wurde auch schon am dritten Tag im Schuppen vor unserem Sommerkamin festgemacht. Da versäuselte Edi sein Mittagsschläfchen vom Feinsten. Über ihm auf einem der Querbalken machte es sich unser Morle, der zugelaufene Kater auch sehr gemütlich. Er streckte sich mal so mal so auf diesen warmen Balken und liess Edi nicht aus den Augen. Beide schnarchten täglich in dieser Position leise um die Wette.

Morle verfolgte Edi auf Schritt und Tritt. Morle spürte eindeutig, dass Edi ihn mochte und ich mit ihm nicht so gut umgehen konnte. Sobald wir den Hof betraten war er zur Stelle. Morle gehörte eigentlich Viktor, dem Dorfschreiner. Wenn wir dann den Hof nach dem Sommerurlaub verliessen, war Morle wieder bei Viktor. Die Tage die wir im Hof waren, war Morle unsere Hauskatze.

Jeden Morgen während unserer Urlaubstagen stand Morle vor der Sommerküche, wenn wir auftauchten und wartete brav auf seinen Milchnapf mit Brot oder manchmal wars auch Katzenfutter. Mittags war Morle zur Stelle, wenn der Suppentopf am Tisch dampfte oder ein sonstiger feiner Geruch die Küche füllte. Die 4–5 Wochen, die wir ein paar Sommer nach einander am Hof wohnten, wurde Morle unsere treue Hauskatze. Sie schlich ab und zu wieder heim zu Viktor, aber die meiste Zeit war sie doch bei uns. Viktor hatte auch bei uns im Haus ganz viel zu tun. Alte Treppen, hängende Türen und verzogene Fenster richtete er mit sicherer Hand. Viel schwieriger waren die vermoderten Stützpfosten am Schuppen und die Balken an den großen Bienenhäusern zu reparieren. Natürlich gab´s nach getaner Arbeit eine ordentliche Vesper und das passende Getränk dazu. Viktor war ein super Erzähler. Er schwätze in einem originalen Weisskircher Dialekt, der unverkennbar war. Viktor gehörte zu den Zurückgebliebenen Sachsen (so nennt man die Sachsen, die nicht ausgewandert sind) und wir eben zu den Sommersachen. Die Gespräche rund um den gedeckten Tisch waren klar anregend und lebendig. Morle immer unterm Tisch, auf der Liege oder auf irgendeinem der Balken von Schuppen oder vom Terrassendach. Morle war ein liebes Tier, anhänglich, aufmerksam und anschmiegsam. Oft lag Morle Viktor am Schoß und liess sich streicheln oder hielt Edi es am Schoss und massierte es auf seine Weise.

Im Sommer 2016 hörten wir gleich bei unserer Ankunft im Dorf, dass Viktor schwer erkrank sei. Wir waren bestürzt und hatten vor, ihn zu besuchen. Wie gewohnt stand Morle schon am zweiten Tag vor uns.

Ob die Katze unseren Vito kannte, ob sie uns erkannte oder wie auch immer- niemand hat Morle gesagt, dass wir kommen oder schon da sind — Morle stand plötzlich vor uns, wenn wir da waren.

Viktor konnte leider keinen Besuch mehr empfangen. Er war zu krank und hatte grosse Schmerzen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann er das irdische Leben verlassen muss. Morle war die ganze Zeit bei uns im Hof und im Haus. Etwas ruhiger war Morle schon. Ob er das nahende Ende seines Herrchens wohl gespürt hat?

Man weiss es nicht.

Man kann es sich aber denken, dass er gemerkt hat, dass mit seinem Herrchen etwas nicht stimmt.

Leider verstarb Viktor noch vor unserer Abreise. Wir nahmen an seiner Beerdigungsfeier teil. Das ganze Dorf war auf den Beinen und gab dem jungen Dorfschreiner die letzte Ehre.

Morle sass recht ruhig und irgendwie betroffen unterm Schuppen, als wir von der Trauerfeier zurückkamen. Unsere Gedanken drehten sich um die nun herrenlos gebliebene Katze. Edi meinte, dass so ein Tierchen in einem so lebendigen Dorf bald bald ein neues Herrchen finden würd. Nur kurz kam der Gedanke auf, Morle nach Deutschland mitzunehmen. Dann verwarfen wir diesen Gedanken völlig, denn Morle zeigte sich die letzten drei Tage nicht mehr.

Bevor wir Haus und Hof nach einem 5 wöchigen Sommerurlaub verlassen mussten, wurde jedes Eck nochmals inspiziert, denn es musste alles bereits im Spätsommer winterfest zurückgelassen werden. Es standen Badezimmer Zubehör im heutigen Musikzimmer für die Handwerker bereit, welche erst im November ihre Arbeiten erledigen sollten. Es lagen Rohre und Baumaterialien da rum und Edi überprüfte nochmals die Sachen für die Handwerker.

Ein letzter Blick unter die Wanne schockierte, denn Morle lag tot da.

Vor unserer Abreise haben wir in aller Stille und würdevoll Morle hinter die Scheune beerdigt.

Morle hatte auf seine Weise, ihr Herrchen-Problem gelöst.

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Roselinde Markel
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Written by Roselinde Markel

Roselinde Markel wurde in Heldsdorf bei Kronstadt geboren. Sie arbeitete als Grundschullehrerin und hat eine Leidenschaft für Literatur.

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