„Carl Filtsch im Kontext seiner Zeit“

Roselinde Markel
5 min readSep 7, 2022

Musikalisch-literarischer Salon im Spiegelsaal des demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt

Bemerkungen einer Besucherin

Am 15. Juli dieses Jahres fand um 18:00 Uhr im Spiegelsaal des demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt eine Auftaktveranstaltung zum 26ten “Internationalen Klavier- und Kompositions-Wettbewerb Carl Filtsch” statt. Nach langer Zeit wurde es Dank der Initiative von Dagmar Dusil möglich, dass dieser erste musikalisch-literarische Salon innerhalb des Wettbewerbes als Abendveranstaltung stattfand. Dusils Anliegen war es, das siebenbürgische Wunderkind Carl Filtsch einem breiteren Publikum mit Text und Klang näher zu bringen. Carl Filtsch im Kontext seiner Zeit und Zeitgenossen rückte in den Mittelpunkt und weckte unser aller Interesse. Dagmar Dusil bedankte sich bei der Kulturreferentin für Siebenbürgen, Dr. Heinke Fabritius für die finanzielle Unterstützung und bei allen anderen, die es möglich machten, dass diese Veranstaltung stattfinden konnte.

Es fügte sich ganz wunderbar in unseren zweiten Reisetag auf dem Weg in die alte Heimat ein, dass wir diese Veranstaltung miterleben konnten. Mein Sohn, der selbst Pianist ist und ich wollten es keineswegs versäumen, dabei zu sein. Es gelang tatsächlich rechtzeitig kurz vor 18:00 Uhr im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt anzukommen. Nur beinahe hätte der zweistündige Stau an der Grenze zu Rumänien und der zähflüssige Verkehr auf der Bundesstrasse vor Deva, uns unser erstes Reiseziel vermasselt.

Wie immer strahlte der Spiegelsaal seinen besonderen Charme aus und wartete in seinem speziellen Format auf sein neugieriges Publikum und die erlesenen mehr oder weniger bekannten Interpreten von Text und Melodien.

Wir nahmen Platz auf den bequemen neuen Stühlen und nach und nach strömten recht viele interessierte Menschen in den Saal, entgegen den Erwartungen der Veranstalter, die sich umgehend um weitere Bestuhlung bemühen mussten.

Dagmar Dusil war die Initiatorin, Koordinatorin und Moderatorin dieser Veranstaltung und gleichzeitig auch die Verfasserin des Textes mit Informationen zum Wunderkind Carl Filtsch. Das Publikum fand diesen Text in rumänischer und deutscher Sprache kostenlos zusammengefasst in einem Geheft im Spiegelsaal vor. In einem Gespräch mit einer rumänischen Tageszeitung — Sibiul de azi — brichtete Frau Dusil, dass es schwierig war, biografisches Material für einen Künstler zu finden, der nur 15 Jahre alt werden durfte. Darum war sie sehr bemüht Zeitgenossen aus der entsprechende Epoche des Künstlers zu finden, die dem begnadeten Jungen begegnet sind, um ihn in seiner Einzigartigkeit noch besser erfassbar zu machen. Gleichzeitig bedauerte sie aber auch, dass sie keine rumänischen entsprechenden Zeitgenossen finden konnte, die dem jungen Carl begegnet sind, brachte aber dennoch einige interessante Überlegung hierzu in den Text ein. Die bekannte rumänische Schauspielerin Lerida Bucholtzer war Sprecherin des Textes in rumänischer Sprache und las mit sanfter und klarer Stimme vor. Wer der rumänischen Sprache nicht mächtig war, konnte den Originaltext im Geheft mitlesen. An entsprechenden Stellen verstummte die klangvolle Stimme der Erzählerin und vier außergewöhnliche Pianisten — Oana und Boldizsar Csiky, Izabella Voropciuc und Darius Isaac Lungu — brachten auserwählte Klavierstücke zu den entsprechenden Textteilen zum Erklingen.

Nach einer kurzen Einleitung eröffnete der Pianist Boldizsar Csiky, des Carl-Filtsch Pianisten-Wettbewerb-Festivals, mit dem Stück von Carl Filtsch- Impromptu in Ges-Dur den musikalischen Teil der Vorstellung.

Eine Reihe von Zufällen, über die Namen: Irene Andrews, Hans Tobi, Ilse Klock, Hermine Zimanyi und nicht zu letzt über das pianistische Triumvirat Walter Krafft, Peter Szaunig und G.A. Alink, sollten dazu führen, dass ein Gedanke aufkommt: …dem musikalischen siebenbürgischen Genie… ein Denkmal zu setzen — am besten ein klingendes Denkmal. Wir erfahren, dass Peter Szauning, Walter Krafft und G.A. Alink die Wegbereiter des Carl-Filsch Wettbewerb-Festivals sind.

Darius Isaac Lungu, der jüngste Interpret aus der Runde, liess die — Fuge und Präludium in B-Dur von Bach und Carl Filtschs -Barcarolle op 3 Nr.2-in einer wunderschönen Interpretation erklingen.

Es folgte eine kurze beeindruckende Darstellung einer ungewöhnlichen und glücklichen Kindheit eines hochbegabten Knaben, der im siebenbürgischen Mühlbach 1830 auf die Welt kam und in einer begnadeten familiären Umgebung leben durfte:

Carl Filtsch, das zehnte Kind des siebenbürgischen Stadtpfarrers Joseph Filtsch und dessen Frau Caroline Felder, wächst in einer betont harmonischen familiären Atmosphäre und kultivierten Umgebung auf, die die Voraussetzungen für eine optimale Entwicklung dieser grossen Begabung stellen. Es wird gesungen und musiziert, alle Familienmitglieder spielen ein Instrument. Doch auch andere geistige Interessen nehmen einen hohen Stellenwert ein. Der Vater ordnete an, dass zur Übung je eine Woche deutsch, eine ungarisch und eine französisch im Hause gesprochen wurde. Auch auf diesem Gebiet die besten Voraussetzungen für die späteren Reisen, die Carl Filtsch unternehmen sollte.

Die vielen Reisen des begabten Kindes in Begleitung des siebzehnjährigen Bruders Joseph quer durch Europa, beginnen für den kleinen Knaben mit Klavierunterricht in Wien bei berühmten Lehrern: Friedrich Wieck, dem Vater von Clara Schumann und Simon Sechster.

Mit Liszt und Thalberg, zu der Zeit bereits bekannte und hochgepriesene Virtuosen, steht der kleine Carl schon bald in freundschaftlichem Verhältnis und gegenseitiger Sympathie.

Oana Csiky lässt Töne von Thalberg erklingen und das in unbeschreiblich zarter Interpretation- Transcriptio von Bellini- Casta diva.

Boldizsar Csiky bringt die Sonetto del Petrarca Nr.104 von Liszt in feiner und leidenschaftlicher Weise dem Publikum näher. Nach dem wir von der Begegnung des Kindes Carls mit Chopin erfahren, füllt Chopins — Walzer in A-Moll op.34,nr: 2 wie ein wundersamer Traum den Raum, interpretiert von Prof. Boldizsar Csiky. Auch Oana Csiky erobert mit ihrer Interpretation der Romanze in E- Dur von Anton Rubinstein, den Carl Filtsch in München begegnet, das musikalische Herz des Publikums.

Lerida Buchholtzer hebt, bevor sie zum plötzlichen Ende eines viel zu kurzen Lebens in ihrem Vortrag kommt, eine besondere Leistung des jungen Künstlers, hervor. In unglaublich zartem aber sehr bestimmtem Tonfall spricht sie die Tatsache an, dass der elfjährige Carl Filtsch mit seiner Kunst für das Hermannstädter Krankenhaus den Grundstein gelegt hat. Als er nämlich 1841 seine alte Heimatstadt besuchte und seine grossen Erfolge vergütet bekam, spendete er 360 Gulden für die Grundlegung eines allgemeinen Krankenhauses.

Allzu früh erlischt der wundersame Stern am Himmel. Die Trauerbotschaft im Siebenbürgischen Boten meldet, dass am 11 Mai 1845 das Wunderkind in Venedig verstarb. Mit den nachdenklichen Worten von Hölderin in seinem Empedocles, die Dagmar Dusil so treffend wählte, beendet Lerida Buchholtzer den Vortrag zum Lebenslauf dieses jungen siebenbürgischen Künstlers:

Oft sagt- ich euch-s

Es würde Nacht und kalt

auf Erden, und in Not verzehrt sich

die Seele, sendeten zuzeiten nicht

die guten Götter solche Jünglinge,

der Menschen welkend Leben zu erfrischen.

Baldizsar Csiky beendet in einer leisen und zutiefst berührenden Weise den Abend mit Carl Filtschs — Adieu in C-Moll.

Ein überaus beeindrucktes Publikum von Wort und Melodie anerkennt an diesem Abend mit langanhaltenden Applaus die Idee dieses musikalisch-literarischen Salons, die Leistungen der Interpreten, die Arbeit der Verfasserin des Textes aber auch den kleinen Carl, der im Raum des Spiegelsaals irgendwie unter uns weilte.

Was war das für ein Auftakt unserer Reise in die alte Heimat?

Wie sollte man nicht gern immer wieder hierher kommen wollen? Einfach nur beeindruckend!

--

--

Roselinde Markel

Roselinde Markel wurde in Heldsdorf bei Kronstadt geboren. Sie arbeitete als Grundschullehrerin und hat eine Leidenschaft für Literatur.